Augmented Reality: aktuelle Beispiele für Verlage und Medienhäuser

Durch die Verbreitung von Smartphones und Tablets ist Augmented Reality, die Überlagerung von Realität und digitaler Welt, von einer industriellen Nischen-Anwendung zu einem marktfähigen Produkt-Modell geworden. Und aktuelle Hardware-Projekte wie Google Glass tun ein Übriges, um das Thema auch in die Massenmedien zu bringen. Auch für Verlage ist diese Technologie ein spannender und innovativer Weg, ihr Portfolio mit multimedialen und interaktiven Komponenten zu ergänzen und eine Brücke zwischen Print-Produkten und Digital-Medien zu schlagen.


Einfaches Prinzip, komplexe Technologie

Das Grundprinzip von Augmented Reality besteht in der Verwendung des Kamera-Bildes von Smartphones oder Tablets. Dabei dient das aufgezeichnete Bild zunächst als der Auslöser für den Aufruf von Links oder Medienverknüpfungen: Wie beim Prinzip des QR-Codes wird das Bild erkannt und durch einen AR-Browser anderen hinterlegten Inhalten zugeordnet. Im einfachsten Fall erfolgt die Zuordnung durch 2D-Bilderkennung, daneben sind aber auch Verfahren wie das Scannen von 3D-Gitternetzen zur Erkennung von räumlichen Strukturen oder die Kombination mit Geolokalisierung möglich.

„Essentially, it turns the world around you into a hyperlink.“
(Jeff Bezos über die Firefly-Funktion des Amazon Fire Phone)

Der wirkliche Reiz von Augmented Reality kommt aber erst zum Tragen, wenn die zugeordneten Inhalte nicht nur einfach in Form eines Links aufgerufen werden, sondern dazu benutzt werden, das reale Kamerabild zu überlagen. Von der Einblendung kleiner Bedienelemente in das Bild bis hin zur Überlagerung von echten Gebäuden mit historischen Aufnahmen ist hier alles möglich, was das Projektbudget hergibt.

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Projektion der Wikipedia in den urbanen Raum, oder Wohnungsmarkt durchstöbern während dem Stadtspaziergang – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Obwohl die darunterliegende Technologie extrem komplex ist, bleibt dem Nutzer dies meist verborgen. Denn der größte Teil der Funktionalität wird von Autorenwerkzeugen, AR-Browsern und Entwicklungs-Frameworks übernommen, die von Augmented Reality-Anbietern wie Metaio oder Wikitude entwickelt wurden.

Die ersten Anwendungen für Augmented Reality kamen zunächst aus dem industriellen Bereich und Fachbranchen: So entwickelte der AR-Hardware-Anbieter Vuzix etwa zusammen mit SAP ein AR-gestütztes System für Lagerhaltung und die Arbeit von Logistik-Angestellten in Auslieferungszentren. Andere Projekte kommen aus Industriemontage, Anlagenbau oder beschäftigten sich mit dem Einsatz im Notfallbereich von Großkliniken.


Ein AR-gestütztes Lagerhaltungssystem, entwickelt von SAP und Vuzix.
(Quelle/Copyright: SAP

Auch für den Consumer-Bereich stehen seit mehreren Jahren Anwendungen zur Verfügung, die Informationen aus öffentlichen Datenbanken aggregieren und per Geolokalisierung in den realen Raum projizieren. Aber erst in letzter Zeit haben Verlage und Medienanbieter das Thema „Augmented Reality“ für sich entdeckt und so einige innovative Produkte auf den Markt gebracht.

Aktuelle Beispiele für sehenswerte Apps

Als einer der ersten Verlage überhaupt in Deutschland hat sich Gräfe und Unzer mit der GU Kochen Plus-App das Thema Augmented Reality auf die Fahnen geschrieben. Eine komplette Kochbuchreihe wurde hier mit einer AR-App ergänzt, die sich auf einige recht einfache Use Cases beschränkt: Die Fotos in den Buchtiteln sind mit AR-Markern versehen, über die die Rezepte gescannt und in den Speicher der App übertragen werden können. Funktionen zur Generierung einer Einkaufsliste, Erstellung von Kalender-Einträgen, Social Sharing der Rezepte und eine Supermarkt-Suche ergänzen die gedruckte Version – insgesamt eine relativ simple Anwendung von AR, die aber insofern sehr überzeugend wirkt, als sie sich an einem konkreten Anwendungsfall mit direktem Nutzen für den Kunden orientiert.

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Rezept aus dem Buch scannen, Einkaufsliste in der App, Rezepte-Sammlung zum mitnehmen – so stellt sich GU Augmented Reality im Haushalt vor. (Quelle/Copyright: Gräfe und Unzer)

 

Einen ganz anderen Ansatz wählt die Time Traveler-App: Die von  Timetraveler Augmented Ltd. und mCrumbs entwickelte Anwendung holt die Geschichte der Berliner Mauer in die heutige Realität zurück. In der ganz aktuell erschienenen App werden wichtige bedeutende Originalschauplätze rund um die Mauergedenkstätte Bernauer Straße über eine GPS-Karte erschlossen. An den Orten selbst werden historische Szenen direkt in die reale Stadtgraphie eingeblendet. Als prägendes Ereignis der Stadtgeschichte ins kollektive Gedächtnis eingebrannt, entfalten die historischen Szenen auf diese Weise eine ganz besondere Dramatik.


Time Traveler: die Geschichte der Berliner Mauer an Originalschauplätzen in Szene gesetzt.
(Quelle/Copyright: Timetraveler Augmented Ltd.)

Vom Bayerischen Rundfunk dagegen stammt die LandauerWalk-App: Zusammen mit einer Fernseh-Dokumentation über die Biographie des jüdischen Fussballfunktionärs Kurt Landauer erarbeitet, überträgt diese App das historische Storytelling in den realen urbanen Raum von München. Stationen seines Lebens und historische Stadtansichten werden dabei in einem Spaziergang zusammengefasst, dabei werden immer wieder an zentralen Plätzen heutiges Stadtbild und alte Fotos überblendet und durch didaktische Texte ergänzt. In einem lesenswerten Artikel zum Projekt beschreiben die Macher beim BR beispielhaft den Reiz, aber auch die Herausforderungen solcher Umsetzungen.

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Die LandauerWalk-App: Ein historisch-biographischer Stadtspaziergang mit Augmented Reality-Stationen (Quelle/Copyright: Bayerischer Rundfunk)

Wie geht man als Verlag an ein Augmented Reality-Projekt heran?

Der erste, zentrale Schritt ist wie bei jedem anderen Projekt auch eine mediengerechte Produkt-Konzeption. Dabei ist entscheidend, einen Anwendungsfall abzudecken, der für den Nutzer einen echten Mehrwert gegenüber anderen Medien und Anwendungen besitzt. Ist dafür eine schlüssige Idee gefunden, müssen Interaktionsmodell, Inhalte und Anwendungsfunktionen konzipiert werden.

Für die Feinkonzeption ist es nützlich, sich der Metapher des Drehbuchs zu bedienen. Ähnlich wie bei einem Filmskript müssen stets drei Komponenten berücksichtigt werden: Welche Objekte oder Bilder sollen als Auslöser für die AR-Inhalte verwendet werden? Welche Inhalte sollen mit diesen Objekten verknüpft oder überlagert werden? Und wie sollen diese beiden Elemente am Ende funktional zusammenspielen? Erst wenn dies klar ist, macht es Sinn, über Nutzeroberfläche, Bedienelemente und Implementierung nachzudenken.

Bei der Umsetzung im Projekt spielen dann Team-Mitglieder mit, die man aus anderen Projekten wenig gewohnt ist: Neben der klassischen Gestalter-Rolle hat das Produkt-Design eine zentrale Funktion – denn mit der Interaktion des Content, der sinnvollen medialen Verknüpfung und der Schaffung nützlicher Anwendungsfälle wird hier der Dreh- und Angelpunkt einer guten AR-Anwendung geschaffen. Die Integration in eine lauffähige Anwendung erfolgt am Ende durch einen AR-Designer oder Entwickler, der in diesem Bereich spezialisiert ist.

Sie wollen mehr wissen?

Am 29./30.10.2014 findet in München mit der InsideAR, der Hausmesse des AR-Anbieters Metaio, die momentan weltweit größte Fachkonferenz für Augmented Reality statt – eine ideale Gelegenheit, sich in Deutschland direkt über die neuesten Trends zu informieren. Für Interessierte steht ein limitiertes Kontingent an kostenlosen Tickets zur Verfügung – schicken Sie dafür eine Email mit einer kurzen Begründung, warum Sie bei der InsideAR dabei sein wollen, an: press@metaio.com.

Speziell zum Einsatz im Verlagsbereich halte ich auf der diesjährigen e:publish-Konferenz am 06./07.11.2014 in Berlin eine Table Session zum Thema. Und im 26.01.2015 findet zum zweiten Mal im Programm der Buchakademie in München das Seminar „Augmented Reality für Verlagsprodukte“ statt, bei dem in Form eines eintägigen Praxisworkshops Produktkonzepte für Augmented Reality-Produkte entwickelt werden.

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