Das gezwitscherte Buch: eBook-Marketing und Vertrieb mit Twitter

teaserbildEine der zentralen Herausforderungen bei Marketing und Vertrieb von eBooks ist die Schaffung von Sichtbarkeit über die eBook-Marktplätze hinaus – im Web-Slang auch gerne als „Discoverability“ bezeichnet. Denn Reichweite und Reputation ist im Netz quasi als Währung zu betrachten, die sich im eCommerce auch monetarisieren lässt. Gleichzeitig wird es für Content-Anbieter immer schwieriger, ihre Angebote in den mobilen Ökosystemen sichtbar zu machen, da die Entwicklungen im App-Bereich klar den Trend zu zentralen Anwendungen für Social Media, Nachrichten und Kommunikation zeigen. Ein attraktiver Kanal für die Verbreitung von Kurznachrichten ist seit Jahren Twitter – und aktuell gibt es einige interessante Entwicklungen, um auch eBooks über diesen Kanal zu vermarkten und zu vertreiben. Ein Blick aufs eBook-Marketing über Twitter:

Warum ist es sinnvoll, über Twitter als Kanal nachzudenken?

Für Content-Anbieter wird das Leben in den mobilen Ökosystemen nicht leichter: die Trends in der App-Nutzung weisen darauf hin, dass sich die Aufmerksamkeit der Nutzer stark auf wenige, zentrale Apps konzentriert. Im Vorteil sind hier universelle Anwendungen wie soziale Netzwerke, Messenger- und News-Apps, da darüber fast beliebiger Content verteilt werden kann.

Gleichzeitig deuten die jüngsten Versionen von Android und iOS ein neues Paradigma im App-Design an: an die Stelle der monolitischen App tritt das Betriebssystem als universelle Messenger-Anwendung, in der Web-Content, App-Inhalte und Datenverkehr identisch behandelt und dargestellt wird. Im Extremfall dient die App in diesem Modell nur noch als Datenlieferant für „rich notifications“, deren Inhalt per Medien-Widget dargestellt und vom Betriebssystem über Schnittstellen auch zur Ansteuerung anderer Apps verwendet werden kann. Die Entwicklung von Wearables und eingebetteten Mobil-Geräten wird diesen Design-Trend voraussichtlich noch beschleunigen.

Ein neues App-Paradigma: Die interaktive „Notification Card“ ersetzt das App-Frontend (Quelle: „The end of apps as we know them“ auf http://blog.intercom.io, Copyright: Paul Adams/Intercom)

Und Twitter mischt bei diesem Spiel bereits kräftig mit: nicht nur über die Twitter-API an sich und Anwendungen für alle Mobilplattformen, sondern neuerdings auch als Anbieter von Entwickler-Tools für Mobile Apps und Schnittstellen. Auch für Content-Anbieter wird es Zeit, ihre Inhalte nicht mehr als Medien-Silo zu denken, sondern als Objekt, das über APIs universell einsatzbar und verteilbar ist.

Twitter Cards für eBooks: EPUB in Tweets einbetten

Schon seit längerer Zeit gibt es über die Twitter Cards die Möglichkeit, Fotos, Gallerien, Audio- und Video-Dateien oder auch App-Links in Tweets einzubetten und über interaktive Widgets direkt in Twitter anzuzeigen. Für eBooks fehlte diese Möglichkeit bisher. Nate Hoffelder von The Digital Reader berichtete aber vor kurzem vom japanischen Webservice EPUB2Twitter:

Der Dienst stellt die Möglichkeit zur Verfügung, EPUB-Dateien auf eine Web-Reader-Plattform hochzuladen und generiert daraus Twitter-Card-gerechte URLs zur Verteilung über Twitter bzw. Embed-Codes zum Einbinden in die eigene Website zur Verfügung. Die EPUB-Datei wird über einen bei dem Dienst gehosteten Web-Reader angezeigt.

Das Verfahren zum Upload ist dabei denkbar einfach und intuitiv, der resultierende Tweet sieht dann etwa so aus:

Das getwitterte Buch im iOS-Client – Demo von EPUB2Tweet

In den mobilen Versionen von Twitter erfolgt die EPUB-Anzeige über einen Link in den Webbrowser, in der Desktop/Browser-Variante von Twitter wird das eBook gleich direkt im Tweet angezeigt.

Der Web-Reader von EPUB2Tweet ist einfach und funktional implementiert, aber zeigt die integrierte EPUB-Datei fehlerfrei und nach modernen Webstandards gerendert an:

So sieht das Ergebnis aus: der Web-Reader von EPUB2Twitter

EPUB2Twitter bietet jedoch über die beschriebenen Funktionen hinaus momentan keine Möglichkeit zu weiteren Verlinkungen, oder eine Shop-/Download-Integration. In der vorliegenden Form eignet sich das Verfahren insofern hauptsächlich für twitterbare Leseproben, Auszüge von Titeln für Promotion mit Weiterleitung auf die entsprechenden eBook-Marktplätze, oder auch für die Verbreitung von kostenlosem Content.

Social eCommerce? Tweets mit Buy-Button:

Wie von t3n berichtet, wird von Twitter selbst die Möglichkeit implementiert, den Produktkauf direkt im Tweet abzuschließen. Eine entsprechende Integration inklusive Nutzung einer Mobile Payment-API befindet sich momentan in den USA in der Testphase. Für dieses Projekt arbeitet Twitter zur Zeit mit dem Payment-Anbieter Stripe und mit den eCommerce-Händlern Fancy, Gumroad und Musictoday zusammen.

Twitter Cards mit Buy-Button – so stellt sich Twitter die Zukunft des eCommerce vor (Quelle/Copyright: Twitter)

Für eBook-Content dabei insbesondere Gumroad interessant – die Plattform versucht sich in den USA als Universal-Distributor für digitalen Content zu profilieren und ist mittlerweile auch in Europa präsent, wenn auch hierzulande noch relativ unbekannt.


In-App-Kauf mit Twitter: So versucht der Microblogging-Dienst zur Shopping-Plattform zu werden. (Quelle/Copyright: Twitter)

Einkaufen beim großen A: Warenkorb per Twitter befüllen

Als einer der ersten großen Anbieter ist Amazon auf den Zug aufgesprungen, Twitter auch als eCommerce-Schnittstelle zu nutzen. Im Frühjahr wurde bei TechCrunch berichtet, dass Amazon dazu sowohl die Twitter-API als auch seine eigene Single-Sign-On-Schnittstelle verwendet, um den Einkauf direkt über Tweets zu realisieren.

Voraussetzung dafür ist, dass der Nutzer die beiden Anwendungen direkt miteinander verknüpft hat. Ist dies aber der Fall, und ein Twitter-Anwender erhält eine Nachricht mit einem Link auf ein Amazon-Produkt, genügt ein Reply mit angefügtem Hashtag #AmazonCart, und das Produkt wird in den Warenkorb des Nutzers gelegt. Im zweiten Schritt wurde auch die Befüllung der Wunschliste über den Hashtag #AmazonWishList realisiert. Der Kaufprozess und die Bestellung müssen jedoch nach wie vor über die Amazon-Anwendung bzw. auf der Website erfolgen.


#AmazonCart: Einkaufen per Twitter (Quelle/Copyright: Amazon)

Wie sind die Ansätze zu bewerten?

Obwohl alle drei Ideen zur Integration von Twitter und eBook auf den ersten Blick interessant aussehen, fällt das Fazit zwiespältig aus – denn die praktische Nutzbarkeit der Plattformen hält sich, insbesondere im deutschen Markt, noch sehr in Grenzen:

  • EPUB2Tweet ist zwar für Leseproben und Gratis-Content nutzbar – aber dass sich Verlage oder Selfpublisher für Promotion auf einen japanischen Dienst in Beta-Zustand stützen werden, darf mit guten Gründen bezweifelt werden.
  • Auch der Twitter-Shopping-Dienst ist noch in der Beta-Phase und zur Zeit nur in den USA nutzbar. Eine direkte Übertragung auf Europa ist wegen dem Fokus auf Kreditkarten-Zahlung erfahrungsgemäß mit weiterem Aufwand verbunden.
  • Die Amazon-Integration ist wie vom eCommerce-Riesen gewohnt smart und funktional implementiert – aber natürlich nur für direkte Promotion von Amazon-Angeboten nutzbar und insofern im deutschen Markt ein heißes Eisen.

Sehr spannend ist aber dagegen, welche zukünftigen Möglichkeiten sich in den gezeigten Ansätzen andeuten: um für die Zukunft in den mobilen Ökosystemen bereit zu sein, muss sich das eBook wandeln – vom Content-Silo in seinem geschlossenen Marktplatz hin zu einem per Social Media teilbaren Objekt mit eCommerce-API.

Für innovative Anbieter gäbe es hier einige Chancen auf echte Alleinstellungsmerkmale: Dienste wie Flipintu, Sobooks oder readfy könnten per API ihre Reichweite erweitern, Service-Plattformen wie Bookwire, Readbox oder die HGV mit direkter Shop-Integration ihr Portfolio ergänzen und attraktive Vermarktungsmöglichkeiten schaffen. Und wie immer bleibt es spannend in der Welt der mobilen Ökosysteme…

Sie wollen mehr wissen?

Anfang Dezember findet in München die 7. eBook-Konferenz der frisch umfirmierten Akademie der Deutschen Medien statt, bei der Marketing und Vertrieb von eBook ein Schwerpunkt-Thema ist. Und wer sich ausführlicher in das Thema einlesen will, dem sei „Mobile Publishing“ empfohlen, unser Überblick über Konzeption, Erstellung und Vertrieb von Digitalmedien in den mobilen Ökosystemen – seit kurzem auch als EPUB direkt beim Verlag erhältlich.

 

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