ePublishing im W3C: die Zukunft von EPUB im Web

w3cSeit inzwischen 10 Jahren begleitet uns das EPUB-Format als offener Standard für eBooks, quasi als „lingua franca“ des digitalen Publizierens – flankiert nur durch das Proprietärformat Mobipocket/KF8/KFX, das im Amazon-Ökosystem verwendet wird. Anfang des Jahres hat die weitere Entwicklung neue Rahmenbedingungen bekommen: das IPDF, das den Standard seit 2007 betreut hat, ist nach längeren Diskussionen im W3C aufgegangen – dem Industrie-Konsortium, das sich seit Anfang der 2000er-Jahre um die Weiterentwicklung von Web-Standards wie HTML, CSS, XML und Javascript kümmert. Der Zusammenschluss soll die technische Entwicklung von eBooks näher mit der des Web verzahnen und neue Möglichkeiten des digitalen Publizierens erschließen. Was bedeutet das für die Zukunft von EPUB? Ein Überblick:

 

Was bisher geschah

Auch wenn dem „freundlichen Merger“ zwischen IDPF und W3C durchaus kontroverse Diskussionen vorausgingen, letztlich haben die beiden Organisationen zueinander gefunden, weil die inhaltliche Nähe und die Arbeit an den gleichen Basis-Technologien am Ende besser zusammen funktioniert als einzeln. Dazu dürften die eBook- und Publishing-Technologien am Ende sehr davon profitieren, wenn die großen Technologie-Konzerne bei der Entwicklung direkt mit am Tisch sitzen. Die bisherige Diskussion und Entwicklung hat Bill Kasdorf, ein langjähriger IDPF-Mitarbeiter, in seinem Artikel Publishing@W3C: The convergence is well underway gut zusammengefasst, den ich gerne zur Lektüre empfehle.

Im W3C haben sich folgende drei Arbeitsgruppen gebildet, in denen die inhaltliche Arbeit zur Vertretung der Publishing-Interessen vorangetrieben wird:

  • Publishing Business Group: Die Business Group dient der Bündelung der Interessen der Verlagsindustrie gegenüber dem W3C. Hier sollen alle business-relevanten Anforderungen an die Entwicklung von Web-Technologien und Publishing-Standards wie EPUB diskutiert und definiert werden.
  • Publishing Working Group: Die Working Group hat die Aufgabe, die technischen Spezifikationen für die Nachfolge-Formate von EPUB und zur Umsetzung der fachlichen Anforderungen aus der Business Group auszuarbeiten.
  • EPUB3 Community Group: Die Arbeitsgruppe stellt das Forum für die laufende Weiterentwicklung von EPUB3 und damit verbundenen Spezifikationen und Werkzeugen wie z.B. dem epubcheck-Tool oder den Testcases für EPUB3 dar. In diesem Forum sind auch interessierte Nicht-Mitglieder des W3C zugelassen.
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Die zentralen Arbeitsgruppen für Publishing@W3C: Business Group, Working Group und Community Group (Quelle/Copyright: W3C)

 

Web Publications und EPUB4: die Zukunft des eBook im Web

Die formierten Arbeitsgruppen haben sich ein durchaus anspruchsvolles Programm gegeben: Unter dem Arbeitstitel „Web Publications“ soll ein Standard entwickelt werden, mit dem sich geschlossene Publikationen wie eBooks in Zukunft auch im Browser erschließen lassen – quasi als eine Art Web-Server-Version von EPUB. Damit werden anspruchsvolle „Books in Browsers“-Lösungen möglich, die in der Branche schon seit einigen Jahren diskutiert werden. Für den Nutzer soll sich eine Web-Publication letztlich genauso anfühlen wie eine EPUB-Datei  heute – nur dass eben kein prorietärer EPUB-Browser erforderlich ist, sondern die Publikation über jeden aktuellen Web-Browser erschlossen werden kann.

Parallel dazu entwickelt die dazugehörigen Arbeitsgruppe unter dem Arbeitstitel EPUB4 eine Nachfolge-Version des aktuell verwendeten EPUB-Formates. Diese Version soll sich so auch 1:1 in Web-Publications umsetzen lassen, d.h. je nach Anwendungsfall als Online-Variante oder als gepackte Container-Datei zur Verfügung stehen. Bis Ende 2019 sollen beide Formate als fertige Spezifikation zur Verfügung stehen.

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Identischer Content in verschiedenen „Aggregatzuständen“: als Web Publication für die Online-Nutzung, als EPUB4 für die Offline-Nutzung. (Quelle/Copyright: https://www.w3.org/TR/pwp/)

 

Herausforderungen und Lösungswege

Um dies alles realisieren zu können, stehen noch vielfältige Themen auf der Agenda der Publishing Working Group. Die Herausforderungen reichen dabei von einer umfänglichen Unterstützung von Paginierung in CSS und der Offline-Nutzbarkeit von Web-Publikationen bis hin zu Themen wie Barrierefreiheit und Security-Aspekten. Für die existierenden Web-Technologien werden dafür an vielen Stellen neue Konzepte ausgearbeitet, zum Beispiel die Service-Worker für Offline-Speicherung von Publikationen im Hintergrund, oder ein Ausbau des Pages-Media-CSS. Diese müssen in der Folge natürlich auch in den Browsern implementiert werden, um im Markt wirklich produktiv nutzbar zu sein.

Mittlerweile wird das EPUB-Format auch von Anwendern außerhalb der Verlagsbranche eingesetzt – was bisweilen zu überraschenden Anforderungen führt:

  • Aus dem wissenschaftlichen Publizieren kommen Anforderungen wie Zitationsfähigkeit und persistente Verlinkbarkeit von Publikationen, auch eine bessere Einbindbarkeit von wissenschaftlichen Daten und Primärquellen wird diskutiert.
  • Für Anwender aus der juristischen Dokumentation spielen Unveränderlichkeit und digitale Signatur von Publikationen eine große Rolle.
  • Zentral für die technische Dokumentation sind mehrsprachige Publikationen und erweiterte Content-Zugänge, die die Erschließung großvolumiger Publikationen gewährleisten.

Die Agenda ist damit auf jeden Fall so gut gefüllt, dass es der Arbeitsgruppe in den nächsten 2 Jahren kaum langweilig werden wird. Das W3C hat dabei stets deutlich gemacht, dass engagierte Experten hier jederzeit willkommen sind: Sollten Sie Interesse an einer Mitarbeit in den W3C-Arbeitsgruppen haben, sprechen Sie gerne Bill McCoy oder Ivan Herman vom W3C an.

 

Und was macht die deutsche Buchbranche?

Auch die deutsche Buchbranche interessiert sich zunehmend für die Entwicklungen im W3C. Nach einer Themen-Session des W3C auf den Buchtagen in Berlin kam im September 2017 eine Gruppe von ca. 40 Vertretern aus Verlagen, Verlagsdienstleistern und eBook-Distributoren in Frankfurt beim Börsenverein zu einem Workshop zusammen, um mit Ivan Herman und Georg Rehm vom W3C über Möglichkeiten der Zusammenarbeit im W3C zu diskutieren. Neben einer Mitgliedschaft des Börsenvereins wurden zudem auch Wege erörtert, auf denen sich einzelne Verlage sinnvoll einbringen können. Die im Workshop gezeigten Vorträge von Ivan Hermann und Georg Rehm finden Sie bei Interesse öffentlich zugänglich beim W3C. Die Diskussionen hierzu werden am Vortag der Buchmesse auf einer weiteren Veranstaltung in Frankfurt fortgesetzt; bei Interesse an einer Teilnahme können Sie sich mit Mario Como vom Börsenverein des deutschen Buchhandels unter como@boev.de in Verbindung setzen.

 

W3C-Workshop

Beim Workshop im Haus des Buchs im September: Vertreter der Buchbranche diskutieren mit Ivan Herman und Georg Rehm vom W3C über Möglichkeiten der Zusammenarbeit

 

Sie wollen mehr wissen?

Auch wir bleiben natürlich bei diesen Themen am Ball: Wir sind mit beteiligt an den Diskussionen der deutschen Buchbranche zu Publishing@W3C und alle neuen Erkenntnisse zu den Web Publications und zu EPUB4 werden jeweils aktuell in unsere Profi-Seminare zu EPUB3 bei der Akademie der Deutschen Medien und bei der XML-Schule eingearbeitet. Und selbstverständlich beraten wir Sie gerne zu den zukünftigen Einsatz-Szenarien der Publishing-Formate, wenn Sie neue Produkte planen. Sie haben Interesse? Sprechen Sie uns an!

 

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