Adobe und EPUB: Licht und Schatten in der Welt der eBook-Tools

Adobe: Teaser-BildAdobes Bedeutung fürs eBook ist unumstritten, denn sowohl für das Erstellen von eBooks, als auch für das Lesen stellt das Unternehmen zentrale Tools zur Verfügung. Mit InDesign und seinem EPUB-Export für die Erzeugung von Content und dem Mobile Reader SDK als Basis für die Lese-Applikationen für EPUB gibt Adobe entscheidende Impulse für die Verbreitung von eBooks. Und seitdem es die Creative Cloud gibt, entwickelt das Unternehmen mit jedem Sprint neue Funktionen in diesem Bereich. Was hat sich im letzten Jahr bei den eBook-Tools von Adobe getan? Ein aktueller Überblick:

EPUB-Erstellung mit InDesign und Creative Cloud

Für die Content-Produktion stellt Adobe InDesign in der Version für die Creative Cloud 2014 spannende neue Features bereit. Bereits mit dem ersten Creative Cloud-Release galt der EPUB3-Export als sehr gelungen und verläßlich, auch die vielen Export-Optionen unterstützen mittlerweile eBook-Gestalter auf vielfältige Weise. Mit der Version vom Sommer 2014 hat das Werkzeug nun auch den Export von Fixed Layout-EPUB gelernt: eine erhebliche Verbesserung für Gestalter, die in diesem Bereich tätig sind. Denn damit können auch layout-getreue EPUB-Umsetzungen für Titel wie Kinderbücher, Kochbücher, Sachbücher und alle anderen, layout-lastigen Genres direkt aus InDesign heraus erstellt werden.

Und ganz aktuell ist mit dem jüngsten Release noch die Möglichkeit hinzugekommen, Animationen und dynamische Komponenten aus Adobe Edge als HTML5-Animation in die EPUB-Daten zu exportieren – Anbieter von anspruchvollen enhanced eBooks wird es freuen. Schon länger realisiert, aber kaum bekannt ist die Möglichkeit für Creative Cloud-Kunden, auch alle mit der TypeKit-Anwendung zugreifbaren Fonts für die eBook-Produktion nutzen zu können, ohne sie separat lizensieren zu müssen.

Update 18.02.2015: Wer sich für den Einsatz von Animationen und dynamische Komponenten aus Adobe Edge interessiert, findet in der aktuellen InDesign CC-Version neu das EPUB Interactivity Panel, mit dem eine Art Preview-Ansicht der generierten Elemente möglich ist. Eine detaillierte Beschreibung des Tools findet sich hier bei indesignsecrets.com.

Wer sich über die Möglichkeiten von InDesign CC für Fixed Layout und EPUB3 im Detail interessiert, findet bei Adobe TV ein schönes Einführungsvideo dazu, das hier auch auf Youtube verfügbar ist:


Einführung in die EPUB3-Erzeugung mit InDesign CC von Anne-Marie Concepción
(Quelle/Copyright: www.lynda.com)

Ebenfalls sehr empfehlen möchte ich für Einsteiger ins Thema den Screencast eines Vortrags von Klaas Posselt von einmanncombo.de aus Berlin – sehr ausführlich widmet er sich sowohl den Grundlagen für eBooks als auch den Details der Export-Vorbereitung in InDesign. Zu finden ist der Vortrag auf Youtube:


Klaas Posselts Vortrag zu eBooks mit InDesign von der 26. InDesign User Group Berlin Veranstaltung
(Quelle/Copyright: www.einmanncombo.de)

Konsequenterweise hat Adobe auch einen anderen Schluß aus der Weiterentwicklung von InDesign CC gezogen: Die Adobe DPS Single Edition für die Content-Distribution von Apps wird eingestellt, wer hierüber weiter produzieren will, muss zukünftig eine Professional License erwerben. Die Nutzer des bisherigen Modells wird stattdessen empfohlen, in Zukunft EPUB3-Produkte zu erstellen. Diese Entscheidung von Adobe hat zwar nicht für Begeisterung unter den DPS-Nutzern gesorgt, erscheint aber trotzdem folgerichtig. Denn letztlich ist für die meisten Content-Produkte ein Angebot als eBook schlicht vom Marktumfeld her sinnvoller als eine Platzierung im App-Store.

EPUB lesen mit Adobe Digital Editions und Adobe Reader Mobile SDK

Zwar ist Adobe Digital Editions für Desktop so ein bißchen das häßliche Entlein unter den eBook-Anwendungen, aber die Software hat schon deswegen erhebliche Bedeutung für die eBook-Welt, weil die SDK-Version im Hintergrund als Software für nahezu alle eInk-Reader verwendet wird, die nicht von Amazon stammen. Umso erfreulicher ist es in dieser Hinsicht, dass Digital Editions bzw. das dazugehörige Mobile Reader SDK seit Herbst 2014 endlich in einer Version vorliegen, die EPUB3 unterstützt.

Sowohl die Release Notes wie auch die ersten Tests von eBook-Experten zeigen zwar, dass hier noch einiges zu tun ist, ehe man von einer 100%-Unterstützung der Features ausgehen kann – aber dass die zentrale Software-Basis für viele eReading-Anwendungen und eInk-Reader hier endlich dem Industrie-Standard für enhanced eBook folgt, kann man nur als uneingeschränkt positiv werten. Und auch wenn gerade die Windows-Version von Adobe DE noch mit Performance-Problemen und holpriger Usability kämpft – hier steht durch das frisch releaste Readium SDK Besserung in Aussicht, denn auch Adobe ist nicht ohne Grund Mitglied der Readium Foundation.

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EPUB3-eBooks in Adobe Digital Editions 4.0: Videos, eingebettetes Javascript, das Canvas-Element und SVG-Grafiken funktionieren nun endlich – meistens zumindest.
(Quelle/Copyright: www.adobe.com)

Update 18.02.2015: Ganz aktuell ist mit Version 4.0.3 ein neues Release für Adobe Digital Editions erschienen. Das Update lohnt sich durchaus, nach den Release Notes kommt hier unter anderem neu hinzu: Unterstützung der Navigationselemente Landmarks, Page list, Image list and Tables list für EPUB3-Dateien, MathML-Unterstützung für die Windows-Version (endlich!), ein neues Navigationselement für Media Overlays/Vorlesefunktionen und diverse andere Details. Vor allem, wenn man sich auf Live-Produktion von EPUB3-Dateien vorbereitet, sollte man diese Funktionen unbedingt austesten.

Zu einem anderen Detail hingegen hatte Adobe recht bald nach dem Release mit einem mittelgroßen Shitstorm zu kämpfen: Kurz vor der Buchmesse wurde bekannt, dass die neue Version von Adobe DE und Reader SDK nicht nur in ungeahntem Umfang Leser- und Nutzungsdaten sammelt (was für sich genommen nicht besonders verwunderlich wäre), sondern diese auch noch unverschlüsselt im Klartext über das Netz an die Adobe-Server überträgt. In den Zeiten von NSA-Skandal und Privatsphäre-Diskussion genügt natürlich bereits ein Tweet aus den USA, und innerhalb kürzester Zeit verbreitet sich die Empörung um die ganze Welt. Adobe musste denn auch relativ schnell zurückrudern, räumte die Vorwürfe ein und stellte einen entsprechenden Patch zur Verfügung. Neben den reinen Fakten empfehle ich zur Lektüre dazu den Hintergrund-Artikel von Eric Hellman zum Thema – Hellman fragt hier durchaus berechtigt, ob Adobe hier nicht ein „wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“-Problem für die ganze Branche provoziert hat.

Plugins und Alternativen: Aquafadas und Tigercreate

Auch mit der jüngsten Version von InDesign CC gibt es natürlich noch einige EPUB3-Funktionalitäten, die sich mit der DTP-Anwendung und ihrem EPUB-Export nicht oder nur mit erheblichem Mehraufwand realisieren lassen: Vorlese-Funktionen mit Media Overlays, Einbindung von dynamischen SVG-Grafiken oder eigenen Javascript-Widgets, MathML-Einbindung für Formeln.

Wer Bedarf nach dieser Art an Umsetzung hat, sollte einmal einen Blick auf Aquafadas und seine Palette an Publishing-Tools werfen: Die Lizensierung ist zwar nicht gerade billig, aber das Unternehmen hat einige Funktionen in seinem Cloud Publisher und seinen InDesign-Plugins realisiert, die echte Alleinstellungsmerkmale bedeuten.

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Die InDesign-Plugins von Aquafadas – eine sinnvolle Ergänzung zur DTP-Suite für Gestalter von anspruchsvollen enhanced eBooks (Quelle/Copyright: www.aquafadas.com)

Speziell für Kinderbücher ist es immer eine gute Idee, sich den aktuellen Stand der Entwicklung bei TigerCreate anzusehen: Das Tool hat sich auf die besonderen Anforderungen dieses Medien-Genres spezialisiert und wurde bereits in diesem Artikel zum Stand von EPUB3 vorgestellt.

Wie könnte es in Zukunft weitergehen?

Auf der Ebene der Gestaltungswerkzeuge hat sich mit InDesign CC bereits wirklich viel getan, was die Unterstützung für EPUB3 angeht. Dennoch war der Weg dahin lang und holprig, und noch einiges an Wünschen ist offen: Multimedia-Elemente nicht nur einbetten, sondern auch komfortabel editieren zu können, wäre ein echter Fortschritt. Und TigerCreate hat erfolgreich gezeigt, wie man auch das extrem aufwändige Erstellen der Voice-Overs für Vorlesefunktionen komfortabel realisieren kann. Neben einer tiefen Unterstützung für Javascript-Entwicklung, wie etwa mit der Dashcode-Umgebung, fehlt auch schmerzlich die Möglichkeit, in den generierten EPUB-Code noch eingreifen zu können, ohne ein weiteres Werkzeug nutzen zu müssen.

Eventuell wäre die Integration eines echten EPUB-Editors noch eine attraktive Möglichkeit für die Adobe-Entwickler? Schließlich hat man mit Dreamweaver die Haupt-Komponente dafür – einen HTML-Editor – schon an Bord. Und auch viele andere Werkzeuge aus dem Hause Adobe gäbe es sinnvolle Wege zur Integration in einen eBook-Workflow.

Update 15.01.2015: Kaum hat man den Artikel geschrieben, findet man die nächste Info dazu. Aus dem Sortiment des Anbieters DMXzone gibt es mit dem DMXzone ePub Manager ein Plugin, das Dreamweaver zum vollwertigen EPUB-Editor macht. Das Tool ist mit 199 € nicht eben billig, verglichen mit anderen Editoren wie XMLSpy oder Oxygen, aber für ein integriertes Arbeiten innerhalb der Creative Suite ist das Plugin durchaus sinnvoll, wenn man viel Feintuning in exportierten eBooks machen will/muss.

Für Digital Editions wäre neben einer wirklich vollständigen und verläßlichen EPUB3-Unterstützung – wahrscheinlich am einfachsten über die Integration des Readium SDK – der größte Wunsch eine Version für iOS und Android. Damit würde man einem großen Kundenkreis die Möglichkeit geben, eBooks mit Adobe DRM mit einer durchgehenden Umgebung wirklich plattformübergreifend nutzen zu können – vorausgesetzt, man arbeitet noch deutlich an der Usability des nach wie vor lästigen Authentifizierungsprozesses. Aber man soll ja bekanntlich die Hoffnung nie aufgeben – auch nicht im Bereich der eBook-Tools…

Update 18.02.2015: Seit Ende Januar gibt es nun tatsächlich eine iOS-Version von Adobe Digital Editions! Wie meistens bei den ersten Versionen bedient sie sich noch etwas holprig, und stürzt auch gerne mal ab, wenn man EPUB3-Dateien per Sideloading öffnen will, aber die Verfügbarkeit von ADE auf iOS ist prinzipiell eine sehr gute Nachricht. Zu finden: hier im iOS App-Store.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Sehr schöner Überblick, danke dafür. Eine naive Frage aber: Wo verkaufe ich denn dann mein aufwendig produziertes Enhanced-EPUB3-Buch? Läuft es wieder auf eine eigene App hinaus (=Marketing-Albtraum) oder werden solche Produkte mittlerweile fehlerfrei und geräteübergreifend als iBook oder Google-Play-Book dargestellt?

  2. Hallo Christian,

    EPUB3 wird Stand 2015 in folgenden Plattformen unterstützt:

    Adobe DE und Adobe RMSDK: Beide Applikationen können inzwischen EPUB3, allerdings dürfte es beim RMSDK noch eine Weile dauern, bis die auf dieser Basis entwickelten Drittanbieter-Apps auch alle aktualisiert wurden.

    Apple iBookstore: nahezu vollständige Umsetzung der EPUB3-Features
    Amazon: nur die Multimedia- und Layout-Features werden in das Amazon-eigene KF8 konvertiert, insofern nur sehr lückenhafte Unterstützung von enhanced eBooks
    Google: Google Play Books unterstützt mittlerweile grundsätzlich EPUB3, allerdings noch mit lückenhaftem Javascript-Support
    Tolino: Wohl die spannendste Entwicklung des Jahres – die Tolino-Partner wollen im Laufe des Jahres mit einer EPUB3-fähigen Lese-App in den Markt gehen. Bei der Bedeutung von Tolino für Deutschland könnte das einigen Auftrieb für EPUB3 bedeuten.

    Was allerdings den Punkt „fehlerfrei und geräteübergreifend“ angeht: Davon dürften wir noch relativ weit weg sein. Relativ verlässlich ist die EPUB3-Unterstützung bisher vor allem unter iBooks, alles weitere läuft momentan noch auf ziemlich mühsames Try & Error bei den einzelnen Features raus.

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